Angststörungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen weltweit. Studien zeigen, dass bis zu 14 % der Menschen im Laufe ihres Lebens an einer generalisierten Angststörung oder einer anderen Form von Angst leiden (Bandelow & Michaelis, 2015). Bei Frauen gehören die Angststörungen sogar zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Die Symptome reichen von anhaltender Unruhe, Konzentrationsproblemen und Schlafstörungen bis hin zu körperlichen Reaktionen wie Herzrasen, Schwindel und Muskelverspannungen.

Obwohl Medikamente und Psychotherapie als bewährte Behandlungsansätze gelten, suchen viele Betroffene nach natürlichen und ganzheitlichen Methoden, um ihre Symptome zu lindern. Yoga rückt hier zunehmend in den Fokus der Forschung. Doch wie genau kann Yoga das Nervensystem beruhigen und helfen, die Kontrolle über die eigene Angst zurückzugewinnen?

Wie beeinflusst Yoga das Nervensystem?

Yoga ist weit mehr als nur das Halten von Körperhaltungen. Es wirkt auf tiefster Ebene auf das autonome Nervensystem und kann so das Gleichgewicht zwischen Stress (Sympathikus) und Entspannung (Parasympathikus) wiederherstellen. Außerdem sind die Techniken aus dem Yoga eine wunderbare Ergänzung für unseren Werkzeugkoffer, um die Angst- und Panikattacken besser zu bewältigen.

Außerdem hilft Yoga dabei, die Amygdala zu beruhigen: Die Amygdala ist das Angstzentrum des Gehirns und reagiert besonders sensibel auf Stress. Untersuchungen mit MRT-Scans zeigen, dass regelmäßiges Yoga die Aktivierung der Amygdala reduziert und gleichzeitig die Verbindung zum präfrontalen Kortex stärkt (Hölzel et al., 2011). Dadurch wird die emotionale Kontrolle verbessert, und ängstliche Reaktionen lassen nach.

Abbildung der Amygdala (Cleveland Clinic, 2023)

Auch die Regulation von Stresshormonen verbessert sich: Angst geht oft mit einem erhöhten Cortisolspiegel einher. Yoga senkt nachweislich den Cortisolspiegel und fördert gleichzeitig die Ausschüttung von Wohlbefindenshormonen wie Serotonin und Dopamin (Pascoe & Bauer, 2015).


„Manche Haltungen sind eine Herausforderung, aber man lernt, sich unter körperlichem Zwang zu entspannen, und das kann einem helfen, mit langfristigen Ängsten umzugehen.

– Heather Mason

Welche Yoga-Techniken helfen bei Angst?

Nicht jede Yogapraxis eignet sich gleich gut bei Angststörungen. Besonders hilfreich sind Methoden, die das Nervensystem direkt beeinflussen und die innere Ruhe stärken:

Atemtechniken (Pranayama)

Die alten Yogis haben beispielsweise Schildkröten beobachtet und festgestellt, dass diese teilweise über 100 Jahre alt werden und gerade einmal 2 bis 3x die Minute atmen. Da dachten sie sich: „Ja, wenn wir weniger atmen, können wir auch unser Leben verlängern!“

Lena bei der Übung von Nadi Shodana

Beim Pranayama geht es also darum, unsere Lebensenergie, auch Prana genannt, zu verlängern. Prana bzw. unsere Lebensenergie umfasst alles, was wir konsumieren – sei es Luft, Nahrung oder auch Medien. Das macht doch total Sinn, wenn man darüber nachdenkt. Wenn ich mich über Wochen hinweg mangelhaft ernähre, habe ich weniger Energie. Wenn ich mich aber für einige Wochen sehr gut ernähre, nährstoffreich und wenig Zucker konsumiere, geht es mir tendenziell besser. Auch mein Medienkonsum hat einen großen Einfluss auf mein Wohlbefinden: Horrorfilme könnten beispielsweise bei ängstlichen Personen die Angst verstärken.

Also ganz logisch: wie viel atmen, ist auch enorm wichtig für unser Wohlbefinden und Langlebigkeit.

Im Yoga gibt es diverse Atemübungen, die helfen, den Atem zu verlängern. Es eignet sich jedoch nicht jede Übung für Personen mit Angststörungen. Beispielsweise die Übung Kapalabhati aus dem Kundalini Yoga, wäre absolut kontraindiziert bei Personen mit Angststörungen – die Übungen nutzt Hyperventilation, um den Körper zu reinigen. Hyperventilation – was man auch häufig bei Panik empfindet – verstärkt die Angstgefühle.

Tip #1: verlängerte Ausatmung

Eine wichtige Sache, die ziemlich häufig vernachlässigt wird, die Ausatmung: sobald wir gestresst sind oder Angst empfinden, neigen wieder dazu, unseren Atem anzuhalten. Wenn du hyperventilierst oder die Luft anhältst, gerät dein Atemsystem aus dem Gleichgewicht – entweder sinkt der CO₂-Spiegel zu stark (bei Hyperventilation) oder steigt zu stark an (beim Luftanhalten). Beides löst in deinem Körper Alarmreaktionen aus: Schwindel, Herzrasen, Engegefühl oder Benommenheit, die dein Gehirn als Gefahr interpretiert – auch wenn keine reale Bedrohung besteht.

Diese körperlichen Symptome wirken wie ein inneres Warnsignal und verstärken deine Angst, weil sie sich ähnlich anfühlen wie echte Bedrohungssituationen. So entsteht ein Kreislauf: Dein Körper warnt, dein Gehirn reagiert mit Angst, und die Angst verschärft wiederum deine Atmung.

Ein verlängertes Ausatmen aktiviert den parasympathischen Teil deines Nervensystems – das ist der Teil, der für Entspannung, Regeneration und Sicherheit zuständig ist. Dadurch sinken Herzfrequenz und Blutdruck, der Muskeltonus lässt nach, und dein gesamter Organismus bekommt das Signal: Du bist in Sicherheit.

Auf körperlicher Ebene wird die Stressreaktion gedämpft, dein Atem wird ruhiger, und dein Gehirn bekommt weniger Alarmsignale. Das hilft, aus dem Kreislauf von Angst und Anspannung auszusteigen und in einen Zustand innerer Ruhe zu finden.

Tip #2: Bhramari

Diese Übung ist einer meiner Lieblings Atemübungen. Die Kombination aus verlängerter Ausatmung und Summen aktiviert den Vagus Nerv, der für die Regulation des Nervensystems zuständig ist. Klar, die Übung ist nicht sonderlich gut für in öffentlichen Situationen geeignet, dafür kann die Übung aber zu Hause sehr gut präventiv ausgeführt werden.

Brahmari hilft dabei das Nervensystem zu beruhigen, senkt Stress und Angst sowie hilft bei Schlafproblemen und innerer Unruhe.

Bei dieser Übung halten wir uns die Augen und die Ohren zu, atmen normal durch die Nase ein und summen mit der Ausatmung.

Eine Darstellung von einer Person, die Bhramari übt (Bild von International Yoga)

Körperhaltungen (Asanas)

Asanas, die so genannten Yogahaltungen, sind eigentlich Teil jeder Yogapraxis. In der Yogatherapie werden Asanas ganz gezielt genutzt, um körperliche und emotionale Beschwerden zu reduzieren. Bei Angststörungen gibt es zwei verschiedene Typen von Haltungen, die wir bevorzugen würden:

  • Vorbeugen
  • Erdende Haltungen

Vorbeugen (z. B. Kindhaltung, stehende Vorbeuge) wirken auf das parasympathische Nervensystem (also den Entspannungsmodus) und fördern Rückzug, Erdung und Sicherheit. Durch das „sich Kleinmachen“ entsteht ein Gefühl von Schutz, der Atem wird natürlicherweise ruhiger und der Fokus geht nach innen – das senkt die innere Erregung und reduziert Angst.

Erdende, kraftvolle Haltungen wie der Krieger (Virabhadrasana) vermitteln das Gefühl von Stabilität, Selbstwirksamkeit und Präsenz. Diese aufrechte, verwurzelte Haltung stärkt deine Körperwahrnehmung, lenkt deine Aufmerksamkeit vom Gedankenkarussell in den Moment und aktiviert gleichzeitig Mut und innere Stärke – das wirkt angstlösend über die körperlich-mentale Verbindung.

Meditation & Achtsamkeit

Meditation und Achtsamkeit können eine echte Unterstützung im Umgang mit Angst und innerer Unruhe sein. Wenn du regelmäßig meditierst, lernst du, dich selbst besser wahrzunehmen und Abstand zu deinen Gedanken zu gewinnen – besonders zu den ängstlichen, die sich manchmal endlos im Kreis drehen. Du musst sie nicht gleich loswerden oder bekämpfen – es reicht oft schon, sie einfach bewusst wahrzunehmen, ohne dich direkt mitreißen zu lassen.

Achtsamkeit hilft dir, im Hier und Jetzt zu bleiben. Statt dich von Sorgen über die Zukunft oder Grübeleien über die Vergangenheit einnehmen zu lassen, kannst du mit deiner Aufmerksamkeit ganz im Moment ankommen – bei deinem Atem, deinem Körper, deinem Gefühl. Viele Menschen berichten, dass sie sich dadurch ruhiger, klarer und verbundener mit sich selbst fühlen. Auch im Yoga spielt das eine große Rolle: Jede Bewegung, jeder Atemzug ist eine Einladung, achtsam bei dir zu bleiben.

Wissenschaftliche Studien & Ergebnisse

Die Wirksamkeit von Yoga bei Angststörungen wird zunehmend durch wissenschaftliche Studien belegt:

Eine Metaanalyse von 25 Studien ergab, dass Yoga ähnliche Effekte auf Angststörungen haben kann wie klassische Entspannungstechniken und sogar kognitive Verhaltenstherapie (Cramer et al., 2018). Eine weitere Untersuchung an Angstpatienten zeigte, dass bereits nach 12 Wochen Yoga die Symptome signifikant abnahmen und die allgemeine Lebensqualität verbessert wurde (Goyal et al., 2014). Im Vergleich zu reiner Atemtherapie oder sportlicher Betätigung schnitt Yoga besonders gut in Bezug auf die Reduktion von Stresshormonen und die Erhöhung von Resilienz ab (Streeter et al., 2012).

Fazit

Yoga kann als natürlicher Ansatz eine wertvolle Ergänzung zur klassischen Therapie von Angststörungen sein. Durch die gezielte Regulation des Nervensystems, die Reduktion von Stresshormonen und die Verbesserung der Selbstwahrnehmung bietet es eine nachhaltige Möglichkeit, mit Ängsten umzugehen.

Danke für dein Vertrauen!

  • Bandelow, B., & Michaelis, S. (2015). Epidemiology of anxiety disorders in the 21st century. Dialogues in Clinical Neuroscience, 17(3), 327-335.
  • Cramer, H., Anheyer, D., Saha, F. J., & Dobos, G. (2018). Yoga for anxiety: A systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. Depression and Anxiety, 35(9), 830-843.
  • Goyal, M., Singh, S., Sibinga, E. M. S., Gould, N. F., Rowland-Seymour, A., Sharma, R., … & Haythornthwaite, J. A. (2014). Meditation programs for psychological stress and well-being: A systematic review and meta-analysis. JAMA Internal Medicine, 174(3), 357-368.
  • Hölzel, B. K., Carmody, J., Vangel, M., Congleton, C., Yerramsetti, S. M., Gard, T., & Lazar, S. W. (2011). Mindfulness practice leads to increases in regional brain gray matter density. Psychiatry Research: Neuroimaging, 191(1), 36-43.
  • Pascoe, M. C., & Bauer, I. E. (2015). A systematic review of randomised control trials on the effects of yoga on stress measures and mood. Journal of Psychiatric Research, 68, 270-282.
  • Streeter, C. C., Gerbarg, P. L., Saper, R. B., Ciraulo, D. A., & Brown, R. P. (2012). Effects of yoga on the autonomic nervous system, gamma-aminobutyric-acid, and allostasis in epilepsy, depression, and post-traumatic stress disorder. Medical Hypotheses, 78(5), 571-579.

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